Die Bibel...
...ist ein uralter Bestandteil der Tempelausstattung. Sie wird im Inventar der Londoner Acceptance 1663 erwähnt. In den alten Logenmanuskripten des 16. Jahrhunderts wird die Verpflichtung des Neuaufgenommenen ausdrücklich in die Formel gekleidet: "so helpe me god and holydome and by this hook." Ebenso in der ersten gedruckten Konstitution von Roberts (1722): "So helfe mir Gott und der wahre und heilige Inhalt dieses Buches".
Die von Gegnern des Bibelbrauches in den Logen immer wieder vertretene Meinung, die Bibel sei erst später (nach 1723) in Gebrauch genommen worden, ist daher irrig. War also die Bibel ursprünglich das heilige Dokument, auf das die Logeneide abgenommen wurden, so hat sich ihre Bedeutung späterhin verschoben.
Die Bibel hat in den heutigen Freimaurerlogen keinerlei dogmatische, sondern ausschließlich symbolische Bedeutung, wobei es dem einzelnen vollkommen freigestellt ist, in ihr das heilige, religiös verpflichtende Buch oder die auf jahrhundertelanger Entwicklung begründete, allgemein verpflichtende Sittenlehre, also ein ethisches Dokument, zu erblicken.
Dass in der Bibel, ihrer Entstehung nach, zahlreiche Erzählungen, Legenden und Fabeln enthalten sind, die der heutigen Sittenlehre nicht mehr voll entsprechen, kann den Wert dieses seit Jahrhunderten vielen Millionen heiligen Buches in keiner Weise herabsetzen.
In den heutigen Freimaurerlogen sitzen neben zahlreichen, religiös zutiefst Gläubigen manche Rationalisten und Freigläubige. Beiden hat das Buch in seiner symbolischen Deutung viel zu geben. Die Bestrebungen, die Bibel aus der Loge zu entfernen, weil sie angeblich zu eindeutig dogmatisch verpflichte, haben daher nie dauernden Bestand gehabt.
In Logen, die sich ausschließlich aus Mohammedanern zusammensetzen, liegt als Buch auch der Koran auf, ebenso in Indien neben der Bibel die indischen heiligen Schriften.
In den amerikanischen Logen erhält der Neuaufgenommene von der Loge ein Exemplar der Bibel eingehändigt. In einzelnen Logen wird mit der Bibel ein Kultus getrieben, der sich von den Grundlagen der Freimaurerei ebensoweit entfernt, wie die Beseitigung der Bibel oder deren Ersatz durch das Weiße Buch usw. Die Bibel in der Freimaurerloge soll etwas undogmatisch Verbindendes sein. Das wird von den beiden extremen Flügeln der Freimaurerei, dem pietistischen und dem rationalistischen, leider noch immer nicht genügend verstanden.
1855 erklärte die Großloge von Ohio (USA), daß die Freimaurerei unbedingten Bibelglauben von ihren Mitgliedern verlange. 1866 ging man in Minnesota sogar so weit, daß Suchenden, gleichgültig welchen Bekenntnisses, die Aufnahme verweigert wurde, wenn sie nicht an die Bibel glaubten. Von diesem extremen Anschauungen ist man aber wieder zur einzig möglichen Ausgangsbasis zurückgekehrt, die der Amerikaner Oliver Day Street folgendermaßen zusammenfaßt: Die Bibel ist ein Symbol. Die Freimaurerei verlangt keinen Bibelglauben.
Vgl. E. Lennhoff, O. Posner, „Internationales Freimaurer-Lexikon“, Wien 1932, s.v. „Bibel“
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